Solothurner-Zeitung, 11. August 2013
Fast voll besetzt war die Premiere von «Le Huron» am Freitagabend, die das Ensemble und das Cantus FirmusConsort unter der Leitung von Andreas Reize auf dem Vorplatz des Schlosses Waldegg bot. Es ist die fünfte Inszenierung einer weniger bekannten Oper aus dem 18. Jahrhundert; «Le Huron» von Grétry (siehe auch Kontext) ist gar eine Schweizer Erstaufführung. Und so nahm sich Regisseur Georg Rootering auch ausreichend Freiheit, das Stück zu inszenieren. Obwohl in historischen Kostümen (Bühne und Kostüme: Romaine Fauchère), waren Anklänge an heutige Umgangsformen deutlich, insbesondere wenn persifliert oder gewitzelt wurde. Die Geschichte ist rasch erzählt: Der Hurone, ein stattlicher, schöner Indianer, wird aus Kanada, der ehemaligen Kolonie Frankreichs, nach Frankreich zurückgebracht. Er wird von seinen Verwandten in der Bretagne als Neffe erkannt und zum Franzosen gemacht. Nachdem er für Frankreich siegreich gegen die Engländer gekämpft und andere gesellschaftliche Widerstände bezwungen hat, kann er endlich eine hübsche Bretonin heiraten.
Auf dem Shakespeare-ähnlichen Bühnenaufbau agierten die Sängerinnen und Sänger äusserst agil und virtuos – nicht nur gesanglich, auch körperlich. Da wurde auf der Bühne hinauf- und heruntergeklettert, mit der Schaukel geschwungen, gesprungen und gehüpft. Auch mal ein indianischer Ritualtanz wurde angedeutet. Spielfreude pur.
Und diese Spielfreude spiegelte sich auch in den gesanglichen Leistungen. Ein sicherer Wert ist Jonathan Sells, der zum ersten Mal auf der Waldegg zu sehen ist und gleich die Hauptrolle des sympathischen «Wilden» ideal besetzt. Sein warmer Bariton meistert alle Höhen und Tiefen, seine Aussprache, ob in Französisch (singend) oder in Deutsch (sprechend), ist deutlich. Für einen Engländer nicht selbstverständlich. Mit seiner schlanken Gestalt ist er der ideale Hurone. Herausragend sang am Premierenabend Andrea Lauren Brown. Ihr strahlender Sopran meisterte die Koloraturen ohne Probleme. Sie gehört wie Michael Feyfar schon seit Beginn der Aufführungen auf dem Schloss Waldegg zum Ensemble. Auch Feyfar, der für einmal nicht die Rolle des strahlenden Helden innehat, sondern den tumben und ungeschickten Amtsmannsohn gibt, sorgt mit seinem Gesang, aber insbesondere auch mit seinem Körpereinsatz für grossen Spass. Sowieso: Brown und Feyfar sind die heimlichen Schlossherren auf der Waldegg nach zehn Jahren mit fünf Opernaufführungen. Doch auch die weiteren Ensemblemitglieder Gunta Smirnova, Anam Ohanian und Michael Mogl vermochten zu überzeugen.
Zum ersten Mal wurde in der Oper auf der Waldegg nicht nur gesungen, sondern auch viel gesprochen und erzählt – auf Deutsch, teilweise gar in bayrischem Dialekt à la Franz Josef Strauss. Da stand dann jeweils der Schauspieler Rainer Appel auf dem Rund, der zunächst als Erzähler für viele Lacher sorgte, im zweiten Teil dann als eigentlicher Mitspieler sein komödiantisches Talent einbrachte. Ein guter Regieeinfall zum Verständnis der Geschichte für das weniger an französische Opern gewohnte Publikum. Über den musikalischen Leiter Andreas Reize mit seinem Cantus FirmusConsort viele Worte zu verlieren erübrigt sich. Da passten alle Tempi, jeder Einsatz, die Führung der Stimmen. Reize kennt seine barocke oder frühklassizistische musikalische Nische bestens. Er nahm sich diesmal sogar die Freiheit, die eigens transkribierten Noten um einen Hauch von Winnetou-Filmmusik zu erweitern – immer dann, wenn der Hurone die Bühne betritt und immer zur Freude des Publikums.