Solothurner-Zeitung, 14. Dezember 2015
Dieser Konzertabend gehört zu den ehernen Traditionen: «Nur so kann es in Stadt und Land richtig Weihnachten werden», lautet eine häufig gehörte Aussage. Dafür spricht, dass die Jesuitenkirche diesmal bis zum letzten Platz – selbst oben auf den Galerien – besetzt war. Denn dieses unmittelbare Erlebnis können auch die heutzutage guten Tonträger nicht ersetzen. Die Mehrzahl der Anwesenden hat diese Komposition gewiss häufig gehört. Aber die in die Kirche gezauberte Stimmung mit 46 kindlichen und jugendlichen Sängern, den 26 Mitgliedern des auf alte Musik spezialisierten Orchesters Cantus Firmus Consort, den Vokalsolisten Marc-Olivier Oetterli (Bass), Michael Feyfar (Tenor), Jan Börner (Altus) und drei Knabenstimmen gelang unvergesslich. So kann man als Besuchender mit eigenen Ohren, Augen und Seele dabei sein.
In seinem Dirigat hob Andreas Reize als musikalischer Leiter der Singknabender St.-Ursen-Kathedrale diese so beglückende tänzerische Zierlichkeit hervor, die Bach (1685–1750) vielen seiner Werke und besonders dem sechsteiligen Weihnachtsoratorium verliehen hatte. Die Grundlage zur Komposition, die Bach als Kantaten für die Gottesdienste an Weihnachtsfeiertagen, für Neujahr und die folgenden beiden Sonntage gedacht hatte, bildet ein von Picander gedichteter, volkstümlicher Text nach Worten des Lukas-Evangeliums. In Chorälen, Rezitativen und Arien wird in den aufgeführten drei Teilen die Geschichte der Geburt Jesu, seiner Beschneidung, der Ankunft der Weisen aus dem Morgenland und der böswilligen Suche des Königs Herodes nach dem Jesuskind berichtet. Im musikalischen Rankwerk von Stimmen und Instrumenten reihen sich um die Choräle viele musikalische Höhepunkte, die das Geschehen ausmalen.
Mit «Jauchzet, frohlocket», dem prächtig-charakteristischen Paukenrhythmus nebst berauschendem Orchesterspiel beginnt im ersten Teil die szenische Schilderung, die durch die handelnden Personen zu einem farbenfreudigen Gemälde aus Dramatik, Emotion und Deklamation wurde. Stimmlich berührten die Knabensoprane in Einzelauftritten und dem Sopran-Echo in «Fallt mit Danken, fallt mit Loben».
Ausdrucksvoll wirkten in allen drei Teilen die Einsätze von Michael Feyfar und Jan Börner in Rezitativen und Arien. Lyrische Schwerpunkte waren die Altus-Arien «Nun wird mein liebster Bräutigam» und «Bereite Dich Zion». Zu innerer Begeisterung des Publikums riss die Gestaltungsfähigkeit von Marc-Olivier Oetterli hin, der mit beweglicher Bassstimme, gelegentlich im Wechsel mit dem Chor, eine unnachahmliche Interpretation schuf. Die Instrumentalsolisten mit ihren an Luren erinnernden Trompeten, Hörner im Naturton, Flöten und Streicher umrahmten und schufen reizvollste melodische Einschübe. Das Publikum dankte mit nicht enden wollendem Beifall, den die Singknabenmit zwei zusätzlichen, stimmlich fein gesponnenen Chorsätzen beantworteten.