Monteverdis «l’Orfeo»

Berner-Zeitung, 14.8.2017, Peter Wäch

Begeistert auf allen Ebenen: Cantus Firmus Vokalensemble & Consort führt beim Schloss Waldegg mit Monteverdis «L’Orfeo» eine der ältesten Opern auf.

Die Produktion von Cantus Firmus Vokalensemble & Consort wurde an der Premiere aus dem Garten Eden vertrieben. Weil der Wettergott am vergangenen Donnerstag nicht mitspielte, wurde die Aufführung im Stadttheater Solothurn durchgeführt und nicht wie vorgesehen vor dem Schloss Waldegg.

2001 gegründet, führt dort das Cantus Firmus seit 2006 im 2-Jahres-Rhythmus Barockopern auf – die ideale Kulisse für Claudio Monteverdis «in Musik gesetzte Fabel» «L’Orfeo» von 1607, die aus der griechischen Mythologie entlehnt und von Alessandro Striggio zu einem Libretto verarbeitet wurde. Der Titelheld wird ebenfalls aus dem Paradies vertrieben: Seine Euridice stirbt am Hochzeitfest an einem Schlangenbiss. Orfeo erträgt den Verlust nicht und macht sich auf, die verlorene Liebe aus der Unterwelt zurückzuholen – was beinahe gelingt.

Rundum gelungen
Im prächtig renovierten Barocktheater drängt sich die Frage auf: Wie soll ein auf Wiese und Bäume ausgerichtetes Spiel hier zünden? Allfällige Ängste werden schnell zerstreut. In jeder Hinsicht gelungen ist die Umsetzung dieser Oper, die zum 450. Geburtstag von Monteverdi derzeit nicht nur in Solothurn gespielt wird. Unter der Regie von Georg Rootering und mit der Choreografie von Sabina Aeschlimann und Hannah Jäkel wird die Bühne zum Erlebnispark. Kaum jemand steht still, ausser wenn die Handlung für einen Moment in Zeitlupe weiterentwickelt wird.

Sowohl der Chor als auch die Protagonisten finden sich in präzis getimten Formationen, ähnlich einem Kaleidoskop, das bei jeder Drehung ein neues Bild entstehen lässt. Zur steten Bewegung passen die schlichten Kostüme und die bis auf einen Laufsteg entrümpelte Bühne von Romaine Fauchère. Die Darsteller sind barfuss, die Atmosphäre ist intim, kompakt und packend. Derart lebendig erfährt man Oper, erst recht so ein altes Werk, selten.

Musikalischer Leckerbissen
Auch musikalisch und stimmlich ist dieser «L’Orfeo» ein Leckerbissen. Das nach Renaissance-verhältnissen bestückte Orchester spielt auf der Bühne hinter dem Geschehen und lässt diesen frühen Barock in Reinkultur erstrahlen. Dirigent Andreas Reize führt den Klangkörper souverän durch die kraftvolle, emotionale Partitur. Der Chor strahlt hell, ohne anzugeben, die Solistenriege ist sorgfältig ausgewählt. Michael Feyfar (Orfeo) hat für die Rollengestaltung den passenden dunklen Tenor, seine Phrasierung ist makellos.

Stark sind auch die Auftritte von Silke Gäng (Messagiera und Proserpina), deren Mezzo eine Verheissung ist, und von Lisandro Abadie (Caronte und Pluto), der mit seinem Bassbariton purpurne Tiefen erreicht. Auch bei kühleren Temperaturen im Freien dürfte dieses Schaustück manches Herz erwärmen.

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