Zum Träumen schön

Gestern, 1. November 2007, gab es in der Katholischen Kirche Rapperswil ein ganz besonderes Musikerlebnis zu erfahren. Die erstklassigen Musikerinnen und Musiker des 'cantus firmus vokalensemble & consort' unter der Leitung von Andreas Reize, führten eine Meditation über den gekreuzigten Jesus von Dietrich Buxtehude auf.

Thomas Geissler

Während draussen langsam die Dunkelheit Einzug hielt, wurde es in der Katholischen Kirche Rapperswil ganz still. Die Musikerinnen und Musiker um Andreas Reize spielten den Kantatenzyklus 'Membra Jesu nostri' Bux WV 75 aus dem Jahre 1680. Dieser basiert auf dem früheren mittelalterlichen Gedicht 'Salve mundi salutare' von Hl. Bernhard von Clairvaux. Darin werden sieben Körperteile (Füsse, Knie, Hände, Seiten, Brust, Herz und Antlitz) des gekreuzigten Jesus geehrt.

Der ganze Zyklus aus sieben Kantaten stammt von Dietrich Buxtehude, einen der bedeutensten Musiker seiner Zeit. Selbst der junge Johann Sebastian Bach nahm einen mehrere hundert Kilometer langen Fussmarsch auf sich, um den Meister persönlich zu treffen.

Ganz sacht und behutsam

Den Zuhörenden stellten sich förmlich die Nackenhaare auf, ein leichtes Frösteln überkam die Menschen im Publikum, als die Stimmen der fünf Sängerinnen und Sänger nach einem kurzen wohlklingenden Instrumentalauftakt erklangen. Geradezu prachtvoll durchfluteten sie den Raum und bildeten mit der Akustik der alten Mauern ein unglaubliches musikalisches Erlebnis und entführten die Musikliebhaberinnen und -liebhaber in andere Sphären.

Der Aufbau der sieben Teile war jeweils in ähnlicher Weise gestaltet. Nach einer Sonata, in der alle Sängerinnen und Sänger zumeist ihre Stimmen zusammen erklingen liessen, folgten sie in einzelnen Soloauftritten, bevor sie wieder zusammen fanden. Und auch die Instrumente, bei den einzelnen Solos eher sparsam verwendet, was den Stimmen genügend Freiraum gab um sich zu entfalten, überzeugten mit Perfektion. So zeigte sich bei 'Ad manus' die Sonata zu Beginn sehr träumerisch und leicht, bis die Violinen von Gabriela Scheinpflug und Melanie Kind den Faden aufgriffen, aufbauten, stärker wurden, um plötzlich wieder in den ruhigen träumerischen Raum zu fallen, bis ganz sachte und behutsam der Chor einsetzte und auch dieser scheinbar abrupt an Stärke gewann.

Gänsehauteffekt

Die 'Sopran I' (Marni Schwonberg) und Sopran II (Marysol Schalit) entführten mit ihren hohen klaren Stimmen die Zuhörerschaft auf eine wundersame Reise und erreichten den wohligen Gänsehauteffekt ohne Probleme. Alt (Barbara Erni), Tenor (Michael Feyfar) und Bass (Stefan Schmid) überzeugten zusammen wie auch einzeln. Der vierte Teil, 'Ad latus' begann fast tänzerisch, spielerisch, bevor die wunderbar warme Alt-Stimme der Kaltbrunnerin Barbara Erni den Einstieg des Chores verkündet. Interessant zeigte sich immer wieder die leichte, z.T. sparsame Begleitung des Gesangs. So konnte z.B. Marni Schwonberg (Sopran), nur sacht begleitet von einer Theorbe (Sven Schwannberger), ihre Stimme ganz klar erklingen lassen. Die Theorbe gab dem ganzen einen gewissen mittelalterlichen Touch durch seine tieferen Zupfinstrumentalklänge, ähnlich einer Gitarre, jedoch wärmer und tiefer.

Insgesamt wirkte der Zyklus von Buxtehude sehr Erhaben, jedoch niemals düster. Das Orchester (neben den Violinen und der Theorbe kamen Jakob Rattinger am Viola da Gamba, Matthias B. Frey an der Violone und Thomas Leiniger an der Orgel zum Einsatz) zeigte hingegen neben der erhabenen Gesamterscheinung der Musik, auch kurze Momente leichter 'Verspieltheit', was dem Ganzen einen fröhlichen Grundton gab.

Endlich Beifall

Als die letzte Note vom letzten und siebenten Teil (Ad faciem) im Kirchensaal verstummte, herrschte noch ein paar lange Sekunden völlige Ruhe, bis Andreas Reize seine Hände langsam nach unter gleiten liess, als Zeichen, dass das Konzert zu Ende war. Es setzte stürmischer und lang anhaltender Applaus ein. Endlich! Denn so manch einem zuckten schon während der Aufführung zu Recht die Hände, in dem Gefühl endlich der Begeisterung freien Lauf zu lassen.

Wer dieses einzigartige Konzert noch einmal erleben möchte muss ein paar lohnende Kilometer zurücklegen. Am 4. November spielt das Ensemble um 17.00 Uhr in der Franziskanerkirche Solothurn und am 7. November in der Kapuzinerkirche Olten.

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