Heterogener Eindruck

Zürich, Tonhalle, 23. Mai

Das «Deutsche Requiem» von Johannes Brahms gehört bis heute zu den Herausforderungen, denen sich Laienchöre gerne stellen. Um dieser in der Zürcher Tonhalle stimmlich gewachsen zu sein, hatte sich der Zürcher Bach-Chor mit dem Gabrielichor Bern - beide werden seit 2011 von Andreas Reize geleitet - zu einem 130-köpfigen Klangkörper vereint, der sich durch Flexibilität und Volumen auszeichnete. Bei einer Aufführungsdauer von gut einer Stunde stellt sich die Frage, ob man das Werk als «abendfüllend» gelten lassen will oder ob man nach einer Ergänzung Umschau hält. Reize hat Letzteres getan und ist bei Heinrich Schütz fündig geworden.

Die vier textlich auf das Requiem abgestimmten Einlagesätze stellten hohe Anforderungen an die beiden Chöre, zumal Andreas Reize auf instrumentale Unterstützung verzichtete und a cappella singen liess. In der Motette «Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten» SWV 378 etwa legte er grossen Wert auf genaue Artikulation, während Diktion und Rhetorik etwas zu kurz kamen. Entsprechend blieb beim Bach-Chor der Ausdruck der Freude verhalten. Von grosser Innigkeit war hingegen «Selig sind die Toten» SWV 391, das der Gabrielichor vor dem gleichnamigen Schlusssatz des Requiems intonierte.

Diese durchaus sinnfälligen Einlagen verstärkten allerdings den heterogenen Eindruck, den der Abend hinterliess. Mit flüssigen Tempi und zurückhaltendem Vibrato-Gebrauch der Streicher versuchte Andreas Reize ein modernes Brahms-Bild zu malen. Das glückte ihm nach einem unsicheren Beginn in unterschiedlichem Mass, denn das Tonhalle-Orchester agierte beim Novizen oft zu kompakt und besonders in den unteren Dynamikbereichen auch etwas pauschal, was auf Kosten differenzierter Konturen ging. In der Folge wollten sich die Einzelteile nicht immer zu einem stimmigen Ganzen fügen.

Grossartig in ihrer elementaren Wucht gelang jedoch die Steigerung in «Denn alles Fleisch, es ist wie Gras», wo auch der Chor durchschlagskräftig mithielt, während er in der Schlussfuge von «Herr, lehre doch mich» in einem grauen Klangmeer unterging. Hier zeigte sich der Bassbariton Dominik Wörner klanggewaltig, wenngleich er seine Qualitäten eher im Pianobereich ausspielen konnte. Zum Höhepunkt geriet indes «Ihr habt nun Traurigkeit» mit der Sopranistin Andrea Lauren Brown, die ihren Part beherzt anging und in ihrer Stimme die Freude über das Wiedersehen aufleuchten liess, die der Chor behutsam begleitete.

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