Johannespassion in reinster Form

Ganz zu Unrecht steht die Johannespassion im Schatten der grösseren Matthäuspassion. Dies hat das Cantus Firmus Vokalensemble & Consort mit einem eindringlichen Konzert in der Stadtkirche Olten bewiesen.

Oltner Tagblatt / MLZ; 18.03.2008

Viel zu wenig Zuhörer fanden am Freitag den Weg in die Stadtkirche in Olten, wo das Cantus Firmus Vokalensemble & Consort passend in die Fastenzeit die Johannespassion von Johann Sebastian Bach auf historischen Instrumenten zur Aufführung brachte. Sehr schade, muss man da nur sagen, denn die Anwesenden erlebten eine Interpretation des barocken Werkes, die sich mit höchsten Massstäben messen lässt.

Hervorragende Solisten

Bei der Passion geht es mehr als nur um schöne Musik. Die Rezitative, Arien und Choräle geben dem Bibelwort und seiner Auslegung eine Eindringlichkeit, die vor allem vom erzählerischen Charakter der Rolle des Evangelisten ein grosses Mass an Kunstfertigkeit und Schlichtheit für das einzelne Wort abverlangt. Michael Feyfar (Tenor) wurde dieser Rolle mehr als gerecht. Mit der ganzen Bandbreite der dynamischen Möglichkeiten, einer verständlichen Aussprache und einer klaren Stimmführung gab er jedem Wort die nötige Ausdruckskraft. Auch die übrigen Solisten zeichneten sich aus durch exakte Wortbetonungen und deutliche Artikulation. Die Alt-Arie der gläubigen Seele wurde stilgerecht von Jan Börner, einem Countertenor, gesungen. Er liess die Zuhörer mit warmer, angenehmer Stimme und weichen Bögen die Anteilnahme des Gläubigen spüren. Der Bass Thomas Moser sang schliesslich das Christuswort mit einer derart innigen Einfühlsamkeit, dass dem Zuhörer kalte Schauer über den Rücken jagten.

Ganz im Sinne Bachs

Für den Liebhaber bachscher Musik ist es immer wieder erstaunlich, um wie viel zarter, intimer ein Oratorium wirkt, wenn man von den grossen Besetzungen des Chores wie auch des Orchesters abgeht und mit einer kleinen Besetzung musiziert, wie es wohl auch im Sinn von Bach gewesen wäre. Dank der kleinen Besetzung kommt die ganze Dramatik des Passionswerkes voll zum Tragen. Anders als bei der im 19. Jahrhundert gängigen Aufführungspraxis mit möglichst grossem Stimmenumfang gehen hier wesentliche Elemente der Musik nicht im grossen Klang unter. Das Orchester diente dann auch diesem Gesamtklang, indem es über weite Strecken mit grosser Präsenz begleitete, ohne zu dominieren, wobei gerade der natürliche Klang der historischen Instrumente perfekt mit den menschlichen Stimmen harmonierte.

Schlusschoral als Höhepunkt

Das Cantus Firmus Vokalensemble & Consort unter der Leitung von Andreas Reize begeisterte einmal mehr die Zuhörer mit sicherer Intonation, weichem Zusammenklang der Stimmen und vor allem mit einer Ausdrucksstärke, die der Verkündigung des biblischen Wortes nach dem Evangelisten Johannes gerecht wurde. Hier wurde die herrliche Musik Bachs Ton um Ton und Wort für Wort erarbeitet, wobei Reize den Schwerpunkt auf den künstlerischen Ausdruck und die Verständlichkeit der Musik legte. Einer der Höhepunkte war sicherlich der erhabene Schlusschoral «Ach Herr, lass dein lieb Engelein», der die Zuversicht auf den Sieg über die Sünde, den Tod und das Böse, den Christus am Kreuz errang, deutlich spürbar machte.

Musik in ihrer reinsten Form

Mit der Aufführung dieses eindrücklichen Werkes, das ganz zu Unrecht im Schatten der grösseren Matthäuspassion steht, bewiesen das Ensemble und Andreas Reize einmal mehr, dass es sich lohnen kann, sich mit der Musik in ihrer reinen Form zu beschäftigen und diese Erfahrungen und dieses Wissen mit dem Publikum zu teilen. Die Darbietung wurde schliesslich mit anhaltendem Applaus und Standing Ovations von diesem gewürdigt.

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