In der Tradition verankert

Neue Zürcher Zeitung, 15.1.2013

Er war der Erste, der Bachs Matthäuspassion nach dessen Tod aufführte, und er leitete damit eine Bach-Renaissance ein: Felix Mendelssohn Bartholdy war geprägt von einer Bach-Tradition, die in seinen jungen Jahren mit Ausnahme von Carl Friedrich Zelters Singakademie in Berlin kaum mehr gepflegt wurde. Auch in der eigenen Musik stand Felix Mendelssohn den grossen Meistern seiner Vergangenheit nahe. In seinem ersten Oratorium «Paulus», das er als Einundzwanzigjähriger zu komponieren begann, orientierte er sich an Bachs Passion, aber auch an den Oratorien Händels. Die barocke Tradition liess Mendelssohn in seine frühromantische Sprache einfliessen. Dies führte zu einem Stilpluralismus, dem der Zürcher Bach-Chor und der Cantus Firmus Consort im Konzert in der Tonhalle Zürich besondere Aufmerksamkeit zukommen liessen.

Verschmolzen

Die Erfahrung des Cantus Firmus Consort im Umgang mit Barockmusik prägte sein Verständnis des Oratoriums. Die Musiker, die auf Instrumenten in der Bauart des frühen 19. Jahrhunderts musizierten, liessen bereits in der Ouvertüre mit ihrer differenzierten Klanggestaltung aufhorchen. Den Anfang nahmen sie ganz verhalten und bei sich, was Raum für die anschliessenden Steigerungen liess. In der Folge begleitete der Consort den Chor wendig und mit wunderbar transparentem Klang. Abgesehen von wenigen Problemen in der Klangbalance zwischen Chor und Orchester schien es, als ob die beiden Klangkörper seit langem zusammenarbeiteten. Grund dafür mag der Dirigent Andreas Reize sein, der den Bach-Chor seit zwei Jahren leitet und den Cantus Firmus Consort vor zwölf Jahren selbst gegründet hat.

Bewegt

Reize ist es auch zu verdanken, dass der Chor die heiklen Fugen perfekt meisterte und die kontrastierenden Szenen der Bekehrung des Juden Saulus zum Jünger Christi eindrücklich erleben liess. Prägnant gelang die Repräsentation des tobenden Volks, aber auch der ätherische vierstimme Frauenchor in «Saul! Saul! Was verfolgst Du mich?», für den sich die Sängerinnen auf der Bühne umdrehten.

Für Kontraste sorgte zudem das Solistenquartett, allen voran Dominik Wörner, der in der Arie «Vertilge sie, Herr Zebaoth!» die Wut des Paulus mit lebhaftem Ausdruck erfahrbar machte. Als Gegensatz dazu war kurz davor Sarah Wegeners Arie «Jerusalem, die du tötest die Propheten» glasklar und anmutsvoll erklungen. Barbara Erni und Michael Feyfar gaben die erzählenden Partien satt und trotzdem bewegt.

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